Das Porträt

Die Ehrgeizige

Mit viel Elan und Ehrgeiz hat Karoline Walch das Weinakademiker-Diplom errungen. Die stolze Titelträgerin über den Stellenwert der Ausbildung, Neugier, Wissenslust en masse, eine verrückt-lustige Verkostungserfahrung und eine Wohnung voller Spickzettel.

von Roman Gasser

Es war ein feiner sonniger Morgen. Ich stieg ins Auto und machte mich über die legendäre Weinstraße auf den Weg nach Tramin in die Kellerei Elena Walch. Dort angekommen und vor dem Büro von Karoline Walch wartend, hoffte ich insgeheim, dass wir uns ein gemütliches Platzerl suchen würden, denn ein Büro ist kein angenehmer Ort für ein Gespräch.

Gedacht, getan.

Karoline Walch geleitete mich in ein gemütliches Stübchen. Ich war begeistert, vor mir saß eine gebildete, mit Emotionen erfüllte und glaubwürdige, fesche Frau. Ich war fasziniert von der kulturellen, sprachlichen und doch einfach wirkenden Meinung, die Karoline intus hatte.

Für Weinkenner und vor allem für die, die es werden wollen, bietet die Weinakademie Österreich eine fachlich fundierte Aus- und Weiterbildung an. Seit kurzem darf sich auch Karoline Walch Südtiroler Weinakademikerin nennen.

Die Titelträgerin hat gebüffelt, die Prüfung bestanden und das Diplom entgegengenommen. Eine starke Leistung in Anbetracht was bei der Prüfung alles abverlangt wird.

Karoline Walch hat mit der Ausbildung 2016 begonnen, dabei hat sie sich für den internationalen Teil entschieden, sie hat die gesamte Ausbildung samt Prüfung in englischer Sprache absolviert.

Die Lernorte waren für sie sehr spannend, diese waren aufgeteilt auf Rust, Wien und Florenz. Ihr gefiel das, es war abwechslungsreich und man lernt die anderen Kursteilnehmer besser kennen. Die ganze Gruppe war international, von Deutschland über Polen bis Russland. Ihr imponiert seit jeher das internationale Flair.

Nach ihrem Bachelor Abschluss in Graz, ging Karoline für ihr Master Studium nach Australien, genauer gesagt nach Adelaide. Dort studierte sie und lernte die Vielfalt der Weinwelt in all ihren Facetten kennen. Auch ihr sprachlicher Horizont erweiterte sich dadurch. Mit anderen Kulturen die Wein-Thematiken zu behandeln, war für Karoline aufregend und inspirierend.

Es war auch spannend zu sehen, wie unterschiedlich die einzelnen Länder verkosten. Laut Karoline verlangt der australische Markt intensivere Weine. Australien hat kräftige und volle Weine, die Roten sind sehr marmeladig, und somit braucht der „Aussie“ die Weine sehr viel intensiver als die Europäer. Intensiv, kräftig und holzig, so haben sie es am liebsten bei der Verkostung, erzählt Karoline.

Einen interessanten Moment hatte Karoline während ihres Studiums als eine Basis-Sensorik-Verkostung durchgeführt wurde. Es wurden zwei Reihen Gläser mit Wasser platziert und in jedem Glas wurde Zucker hinzugegeben – nach und nach in jedem Glas immer ein wenig mehr, und in der zweiten Reihe die gleiche Prozedur aber mit Salz.

„Das lustigste Erlebnis? Bei einer Verkostung in San Diego in den USA fragte mich eine Frau ganz ernsthaft – weil wir bei einer Verkostung Pfirsich-Düfte wahrnahmen –, wann in der Weinproduktion der Pfirsich dem Wein beigegeben wird.“

Aber man wusste nicht, ob man sich in der Zucker-Reihe oder in der Salz-Reihe befand. Und man meldete sich ab welchem Glas man fühlt, dass das Wasser gesüßt ist. Laut Karoline war es unglaublich zu sehen, wie spät ein Amerikaner die Süße im Wasserglas wahrgenommen hat. Ein Asiate hingegen hat das Salz im Wasserglas sehr spät wahrgenommen. Hier sieht man, wie die Ernährung schon vom Kindesalter an eine große Rolle spielt und den späteren Geschmackssinn auch trüben kann, so die überzeugende Jung-Akademikerin. Der Europäer ist hier schon sehr ausgeglichener.

Genau aus diesem Grund verkostet Karoline immer gerne mit Menschen anderer Kulturen, weil es spannend ist, die unterschiedlichen Wahrnehmungen zu erleben.

Karoline ist sozusagen in den Weinbergen aufgewachsen. Deshalb war es für sie wichtig, nach dem Gymnasium die weite Welt zu bereisen und Erfahrungen zu sammeln, auch in anderen Bereichen. Sie ging nach Graz und studierte Wirtschaft und absolvierte ein Praktikum im Mercedes-Werk. Wo sie selbst sagt, viel gelernt zu haben. Sie ist als Wein-Produzentin nicht nur im Weinberg oder im Keller oder im Verkauf tätig, sondern in allen Bereichen der Weinbranche zuhause. Karoline: „Man kann sich als Winzer nicht ausschließlich auf einen Bereich beschränken, vielmehr muss man verschiedene Disziplinen in einer Person vereinen um einen Betrieb erfolgreich im Weinbereich zu führen. Man muss auch in großen Konzernen reinschnuppern, um zu sehen, wie es dort abläuft – und diese Erfahrungen in den eigenen Betrieb miteinbringen.“

Wie würdest du die Weinakademiker-Ausbildung einordnen? Wie anspruchsvoll ist diese Ausbildung? Hast du dich leichter getan wegen deines Vorwissens?

Es ist auf alle Fälle eine anspruchsvolle Ausbildung. Geschenkt wird dir nichts. Wenn du nicht intensiv lernst, dann schaffst du die Prüfung nicht. Sprachlich war es für mich kein Hindernis. Natürlich haben mir meine vorherigen Ausbildungen dabei geholfen.

Was heißt das konkret?

Die englische Lernweise, welche ich in Australien angewendet habe, hat mir sehr geholfen. Bei der Weinakademiker-Ausbildung geht es nicht nur darum, die Fragen kurz zu beantworten, sondern ausschweifend einen ganzen Aufsatz zu schreiben. Es werden eine Einleitung, ein Hauptteil und ein Abschlussfazit in schriftlicher Form verlangt, mit einer kurzen Antwort hat man nicht mal die halbe Miete. Man benötigt schon ein großes Vorwissen, um das meistern zu können. Es geht nicht nur um das Fachwissen, du musst dich auch präsentieren können. Nur das Wissen zu haben, macht aus dir noch lange keinen Weinakademiker. Man muss den Wein auch vor ein Fachpublikum präsentieren können.

Hast du dich auch selbst beweisen wollen?

Es war weniger eine Herausforderung, vielmehr ein intensives Training, um mein vorhandenes Wissen aufzufrischen. Mit anderen Leuten „gegenzuverkosten“ war mir auch wichtig, um Vergleiche ziehen zu können, aber eben mit Leuten anderer Länder.

Was heißt das genau?

Wenn man immer mit denselben drei Personen verkostet, kann man sich nicht weiter austauschen, es wird langweilig und hilft dir nicht weiter. Bei der Weinakademiker-Ausbildung waren viele Master-of-Wine-Referenten anwesend, die sehr spannende Vorträge hielten. Ich habe die Ausbildung als Erweiterung meines vorhandenen Wissens gesehen, dieses zu vertiefen, zu verarbeiten und darüber in einem internationalen Kontext zu diskutieren. Mir hat es Spaß gemacht. Für mich war die Ausbildung auch eine Auszeit von meinen beruflichen Verpflichtungen, die ich mir gegönnt habe um mich weiterzuentwickeln. In der Weinbranche ist es immer wichtig, sich weiterzubilden, es ist eine komplexe und schnelllebige Welt, und man darf nie stehen bleiben.

„Es ist wichtig dass du ein Basiswissen hast, aber du musst das nicht zelebrieren oder niemanden belehren. Das ist mein Credo. Wein sollte generationsübergreifend Leute zusammenbringen.“

Gibt es nach den intensiven Verkostungen auch mal eine Bierpause?

(lacht) Irgendwann am Abend kommt schon mal ein Bier oder ein Gin-Tonik dahergeflogen.

Wie wirkt sich die Ausbildung auf deine Arbeit im Weingut aus?

Mit folgenden Fragestellungen: Wie stehen deine Weine im internationalen Kontext? Welche Weine sind deine Konkurrenten? Wenn du zum Beispiel einen Chardonnay produzierst, dann wirst du in Amerika nicht mit Italien verglichen, sondern mit der ganzen Welt. Das macht einen Unterschied. Ein internationales Verständnis, um Vergleiche ziehen zu können, kann entscheidend sein.

Also kann man die eigene Engstirnigkeit überwinden, indem man die Weinakademiker-Ausbildung macht?

Insgesamt ist ein internationaler Austausch, kulturell, politisch und eben auch weintechnisch immer eine Bereicherung.

Welcher Teil der Weinakademiker-Ausbildung war der Spannendste?

Gute Frage. Der dritte Teil der Ausbildung. Der hat mir am meisten Spaß gemacht, da er sehr anspruchsvoll war. Per Knopfdruck das ganze Wissen bei der Prüfung abrufen zu können, war spannend. Vor allem, weil du die ganze Weinwelt vor dir hast. Ich hatte vor der Prüfung meine ganze Wohnung mit Spickzetteln vollgeklebt, um so besser zu lernen. Kaum zu glauben, aber diese Spickzettel sind eine gute Lernhilfe.

Welche war deine verrückteste Verkostung?

Das war in San Diego (USA). Ich leitete dort eine Verkostung, und ich nahm an, dass mein Publikum auf Mittelwissen eingestellt ist. Am Ende fragte mich eine Frau ganz ernsthaft – weil wir bei einer Verkostung Pfirsich-Düfte wahrnahmen –, wann in der Weinproduktion der Pfirsich dem Wein beigegeben wird. (lacht)

Wie hast du dir das Lachen verkniffen?

Natürlich hab ich gelacht. Aber auch solche Situationen gehören dazu. Schlussendlich hab ich eine elegante Antwort abgeliefert. Solche Erfahrungen holen dich wieder auf dem Boden zurück. Natürlich ist das Wissen wichtig, aber am Ende des Tages sollte der Wein auch Spaß machen. Mir gefällt es nicht, wenn der Wein zu viel zerlegt wird. Zu technisch sollte es nie ablaufen. Irgendwann wird es zu viel. Der Wein ist für mich Emotion, er sollte eine Handschrift von jemandem tragen, etwas Persönliches sein, die Leute zusammenbringen und von seiner Herkunft erzählen. Ich möchte nie diejenige sein, die mit ihrem Fachwissen die Leute verwirrt und den Wein zerredet. Das gefällt mir nicht. Es ist wichtig dass du ein Wissen hast, aber du musst das nicht zelebrieren oder niemanden belehren. Das ist mein Credo. Wein sollte generationsübergreifend Leute zusammenbringen.

Dein nächstes großes Ziel?

Beim Wein lernt man nie aus. Vielleicht mach ich irgendwann in ferner Zukunft den Master of Wine. Also eine der exklusivsten Ausbildungen, welche man in der Weinbranche machen kann. Diese Ausbildung ist äußerst zeitintensiv. Aber es guzzelt mich schon. Man muss sich aber bereit fühlen. Es gibt nur 380 Menschen auf der Erde, die diese Ausbildung geschafft haben.

Für Karoline hat das Weininteresse in Südtirol in den letzten Jahren stark zugenommen. Sie strahlt, es gefällt ihr. Sie lebt nach einen ganz einfachen Motto: Wein soll von seiner Herkunft erzählen, Spaß machen, emotional bleiben und basta.

Es lebe ihre Weisheit.

Zum Abschluss bekam ich noch eine ganz private Führung durch den Weinkeller. Ich war fasziniert von Karolines Familiengeschichte und wie cool sie mich durch das phänomenale Kellergewölbe führte.

Une grande jeune femme.

Foto: ©Albin Thöni

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