Das Aostatal

Enge Verbundenheit mit der Region.

von Franziska Steinhauser

Das Aostatal, das Norditalien mit dem schweizerischen Wallis und dem französischen Savoyen verbindet, ist die kleinste Weinbauregion Italiens. Umgeben von den höchsten Bergen der Alpen erwarten wir wohl Weine in kühler Stilistik, doch hier entstehen neben leichten Schaumweinen durchaus strukturierte Weiß- und Rotweine, vollmundig und mit Alterungspotential, die etwas weniger Alkohol als ihre südlichen Gesellen haben.
Auch jetzt im Frühling, wenn die Natur wieder erwacht, ist das Aostatal allemal eine Weinreise wert!
Hier im Aostatal pflegen die Winzer intensiv die Landschaft. Die Schönheit der Landschaft zu bewahren, ist für die Einwohner eine der wichtigsten Einnahmequellen. Jährlich wird es von mehr Touristen besucht als die Region Weinflaschen produziert.

FACTS: Insgesamt wird auf 500 ha Weinberg, davon 300 ha für die Traubenproduktion im Qualitätsbereich angebaut. Das ist eine Gesamtflaschenproduktion von ca. 1,8 Mio. Flaschen. Etwa 70% der Produktion wird vor Ort konsumiert, dank der Anwesenheit von über drei Millionen Besuchern jährlich. Ein Anteil zwischen 10% und 20% ist für den Verkauf in den anderen italienischen Regionen bestimmt, während der verbleibende Anteil für den Export benötigt wird.

Das besondere Klima

Hier im Herzen der Alpen gelegen, genießt das Aostatal ein ganz außergewöhnliches Klima dank der Berge, die eine Barriere gegen Kaltfronten aus dem Norden sowie gegen starke Regenfälle bilden.
Insbesondere im zentralen Bereich des Tals bestimmt der Schutz durch die alpinen Reliefs das Klima: begrenzte Niederschläge (im Frühjahr und Spätherbst), reduzierte Bewölkung und niedrige Luftfeuchtigkeit.
Ein weiteres Element, das das Klima des Aostatals auszeichnet, ist die fast tägliche Anwesenheit von thermischen Brisen. Sowohl die niedrige Luftfeuchtigkeit als auch die geringe Niederschlagsmenge während des vegetativen und produktiven Zyklus der Rebe und die fast permanente Belüftung behindern die Entwicklung von Pilzkrankheiten, die es ermöglichen, Pestizidbehandlungen zu vermeiden.
Der Fluss „Dora Baltea“ charakterisiert das Weinbaugebiet auf natürliche Weise. Das zentrale Tal kann man somit in drei Bereiche unterteilen, die allgemein als niedriges, mittleres und oberes Tal bezeichnet werden.
Eine zweite Unterteilung, die sich immer auf die Dora bezieht, ermöglicht es, zwei andere verschiedene Gebiete zu charakterisieren: die erste auf der orographischen linken Seite, genannt Adret, in der der größte Teil der Aostatal-Weinbergsfläche konzentriert ist. Die hervorragende Belichtung ermöglicht es, auch für die später reifenden Rebsorten optimale Bedingungen zu schaffen.
Auf der orographischen rechten Seite, Envers, erstreckt sich das Weinbergsgebiet hauptsächlich zwischen Aosta und Introd; hier bringen die angebauten Sorten Weine hervor, die sich durch eine gute Frische und sortenaromatischen Ausdruck auszeichnen.
Die Weinbergböden, hauptsächlich moränischen Ursprungs und der hohe Schlickgehalt ermöglicht ein ordentliches Wasserrückhaltevermögen, das in der Regel für die Bedürfnisse der Rebe ausreicht.
Daraus ergibt sich, dass zahlreiche internationale und nationale Reben, die aus Frankreich, der Schweiz und dem Piemont stammen in den geeigneten Gebieten angebaut werden.
Einige importierte Sorten haben im Laufe der Zeit Biotypen erzeugt, die besonders an lokale klimatische Bedingungen angepasst sind. Ein Beispiel ist der Aostatal-Biotyp von Nebbiolo, genannt Picotendro. Im Aostatal sind 38 Rebsorten zu finden, viele davon stammen aus der Region.

ALTA VALLE
Viticoltura eroica

Hier liegen höchste Weinberge Europas! Unter Pergeln, die kaum einen halben Meter hoch sind, wächst in den beiden Gemeinden La Salle und Morgex die weiße Rebsorte Prié blanc, aus der Blanc de Morgex et de La Salle DOC gekeltert wird. Auf den extrem mageren, sandigen Böden moränischen Ursprungs – vor 6000 Jahren schob sich hier noch ein Gletscher talwärts – wächst der Prié blanc ohne Unterlagsreben. Diese Besonderheit verdankt die Appellation der Tatsache, dass die Reblaus in dieser Höhe nicht überleben kann. Zusätzlich soll der Prié blanc eine genetische Resistenz gegenüber der Reblaus besitzen.
Die Weine von Ermes Pavese werden – im Gegensatz zu den meisten Weinen aus dem Aosta – hauptsächlich exportiert, der größte Abnehmer ist die USA. Die junge Generation geht neue Wege, produziert Prié blanc in all seinen Facetten, auch als Schaumweine.
Der aus Prié Blanc gekelterte Wein „Uno percento“ wurde nach der traditionellen Weinbereitung des nonno Pavese gekeltert. Im Jahr 2017 hat das Wetter ganze 99% der Ernte zerstört, nur 1% – unopercento – der Trauben konnten verarbeitet werden.

MEDIA VALLE
Leidenschaft für die Natur

Hier gibt es die größte Vielfalt an Rebsorten. Zu einigen der einheimischen Spezialitäten gehören z. B. Petite Arvine, Fumin, Pinot Noir und Torrette. Hier entstehen intensive sortentypische Weine mit Struktur und Kraft. Man sieht, wie sehr verwurzelt die Einwohner des Aosta mit ihrer Heimat sind. Sie haben das Ziel die Region gemeinsam weiterzuentwickeln.
Angebaut werden bei Elio Ottin vor allem die autochthonen Trauben der kleinen alpinen Region sowie einige internationale Rebsorten. Beim Anbau achtet Ottin auf einen sorgfältigen Umgang mit der Natur. Er ist Winzer und Landwirt aus Passion und sieht sich als „Gelehrten der Erde“.
Weiter geht es im Weingut Grosjean: Ein Betrieb über Generationen. Eine kleine Rarität gibt es hier zu finden, Wein aus der Rebsorte Prëmetta. Giorgia führt uns durch das Weingut: „Noch während der Weinlese haben wir extreme Temperaturschwankungen. Nachts fallen die Temperaturen bis auf 5 Grad ab und steigen dann tagsüber auf 25 Grad. An und für sich ist die Region trockener als Apulien. Die Weinberge werden bewässert mit dem Wasser unserer Quelle Montmary.“
Ein großes Problem für den professionellen Weinbau ist die starke Parzellierung der Rebberge. Da die meisten Familien sehr kinderreich waren, wurde das Land in viele kleine Parzellen aufgeteilt, und wenn man heute ein Stück Land kaufen möchte, muss man mit unzähligen Besitzern verhandeln. Mittlerweile aber bauen viele aufstrebende junge Winzer auf eine Zukunft im Weinbau.

BASSA VALLE
Schwindelerregende Weinberge

Die Lagen der DOC Donnas sind wahrlich spektakulär. Der nördliche Teil der Weinberge wurde auf einem alten Erdrutsch errichtet, wo die Steine von vergangenen Generationen zu meterdicken Mauern aufgeschichtet worden sind. Im Zentrum der so entstandenen, schmalen, eingemauerten Parzellen wurde alle Erde, die man finden konnte, gesammelt und dort die Reben gepflanzt. Ein unglaubliches Menschenwerk. Heute werden die Trauben mühevoll in die „Cooperativa“ gebracht.
Hier ist die Heimat des Picotendro, dem Biotyp des Nebbiolo. Wir treffen Francesco, der uns in seinem Dialekt erklärt, dass die Anbaubedingungen für die Trauben mühsam sind, oft nur einzelne Rebzeilen vererbt wurden. „Unten im Tal ist eine neuerbaute Fabrik, viele junge Menschen arbeiten dort“. Bessere Arbeitsbedingungen wird es hier im Weinberg wohl nie geben, er hofft auf den Fortbestand des Weinbaus im Nebenerwerb.
Es ist etwas schwül hier. Wir genießen einen letzten atemberaubenden Blick über Donnas und kehren über die steilen Steintreppen und Hänge ins Tal zurück: voller neuer Eindrücke aus einem kleinen, vielfältigen, fast vergessenem Weinbaugebiet.

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