Sorgfalt aus Leidenschaft

Besuch bei der Fassbinderei Mittelberger

von Maria Kampp

Es musste nicht immer Wein sein! In Holzfässern wurde einst alles Mögliche gelagert und transportiert, egal ob Salz, Lebensmittel oder Schießpulver. So verwundert es kaum, dass es früher in jeder Stadt zahlreiche Fassbinder gab. Wer Wein, Bier, Spirituosen und gespritete Weine liebt, schätzt das Holzfass heute noch. In ganz Italien binden nur vier Betriebe Holzfässer von Hand, eines davon Mittelberger in Sigmundskron. Der Eingang liegt unauffällig unterhalb der Straße, in der Werkstatt Hobelspäne und der Geruch nach frischem Holz.

Mittelberger ist ein Familienbetrieb. Gegründet im Jahr 1960 von Vater August Mittelberger im Bozner Stadtteil Gries, führen den Betrieb heute die drei Söhne Markus, Konrad und Peter. Zu Augusts Zeit gab es allein in der Bindergasse in Bozen, wo er sein Handwerk lernte, noch knapp ein Dutzend Fassbinderbetriebe. Der zunehmende Einsatz von Kunststoffen und Edelstahl sorgte dann aber dafür, dass in den folgenden Jahrzehnten viele Fassbinder ihre Tätigkeit aufgaben. August Mittelberger hielt allen Widrigkeiten stand und verlegte die Werkstatt nach Frangart, wo sie bis heute zuhause ist. Das Motto der Mittelbergers? Tradition, Handwerk und Leidenschaft.

Man merkt es gleich, wenn man sich mit Konrad und Peter unterhält. Sie sprechen von den Bäumen, deren Holz den Rohstoff für ihre Holzfässer liefert, mit einem Respekt, der an Ehrfurcht grenzt. Ein Baum sei ein Lebewesen, so Peter Mittelberger, der behutsam über die Maserung eines beinahe fertigen großen Holzfasses streicht. „Gewachsen über Jahrzehnte, wenn nicht Jahrhunderte, ist ein Baum Lebensraum für unzählige Pflanzen, Tiere und Mikroorganismen. Einen solchen Baum aus dem Wald zu entnehmen und ihn zur Grundlage eines Fasses zu machen, in dem Wein bis zu seiner Vollendung reifen darf, ist ein Privileg.“

„Wir betrachten uns als Baustein des großen Ganzen und sehen uns der Umwelt, den Mitmenschen und dem Gemeinwohl verpflichtet,“ pflichtet Konrad Mittelberger bei. Qualität gesellt sich zur Nachhaltigkeit und beide beginnen im Wald. Das Holz für die Fässer der Mittelbergers stammt von Trauben- und Stieleichen aus Wäldern in Frankreich und Deutschland. Die Mittelbergers sind stets vor Ort und treffen persönlich die Auswahl an Eichenrundholz in nachhaltig bewirtschafteten Wäldern. Oftmals lassen sie sich dabei von ihren Kunden begleiten. „So gelingt es uns, ihnen einen transparenten Eindruck von Qualität, Menge und aktuellem Holzpreis zu vermitteln.“

„Wir betrachten uns als Baustein des großen Ganzen und sehen uns der Umwelt, den Mitmenschen und dem Gemeinwohl verpflichtet.“
Konrad Mittelberger

Mittelberger verwendet nahezu ausschließlich Eichenholz und verarbeitet Kastanie oder Akazie nur auf Anfrage. Die Eiche hat heutzutage keinen leichten Stand, so Peter. Die Klimaerwärmung setze ihr genauso zu wie Wildschweine und Rehe. Umso wichtiger, Stämme mit perfekten Eigenschaften auszuwählen. Bei der Auswahl der Bäume spielen Klima und Boden eine wichtige Rolle. Basierend auf jahrzehntelanger Erfahrung verwenden die Mittelbergers einen Mix aus verschiedenen Eichenhölzern. „Die Cuvée beginnt nicht erst mit dem Wein, sondern schon beim Fass“, lacht Konrad Mittelberger, denn die einzelnen Dauben stammen von unterschiedlichen Bäumen. Die Dauben sind die Längshölzer, die für die Herstellung eines Fasses benötigt werden. „Wenn wir reinsortig arbeiten, ist es viel schwieriger, eine über Jahre eine gleich bleibende, konsistente Qualität zu liefern“, so Peter Mittelberger. Nur geeignete Stämme werden ausgewählt und später zu Dauben verarbeitet. Der seit Jahrzehnten bestehende Kontakt zu den Holzlieferanten unterstützt die Kontinuität in der Qualität.

Wenn die Eichenstämme in Südtirol ankommen, werden sie im Lager der Fassbinderei nahe Jenesien erst einmal zersägt und gestapelt. Hier oben auf 1400 Metern Meereshöhe bleibt das Holz weniger belastet von Feinstaub und anderen schädigenden Einflüssen. Dann heißt es Geduld haben. Vier lange Jahre wird das Holz trocknen, bevor es zu einem Fass verarbeitet werden kann. Fassbinderei ist bei Mittelberger Handarbeit und höchst aufwendig. Das Holzfass setzt sich aus den Dauben zusammen, die von verzinkten Eisenspannreifen zusammengehalten werden. Nägel, Schrauben oder Klebstoff kommen nie zum Einsatz.

Ein Team von neun Mitarbeitern unterstützt die Brüder Mittelberger in der Produktion. Worauf kommt es an? „Wir setzen auf handwerkliches Können, überlieferte Tradition und neuestes Wissen. Jedes Fass drückt unsere Leidenschaft aus“, so Peter Mittelberger. „In Südtirol haben wir eine alte Handwerkstradition, auf die wir stolz sein können. Hier sind die Tüftler zuhause, die nach Perfektion streben. Sie sind detailversessen und trotzdem flexibel. Die Südtiroler Mentalität beeinflusst die hohe Qualität unserer Fässer ganz entscheidend.“

Lagerfässer fertigt Mittelberger in allen Größen. Gärfässer und Gärbottiche werden hauptsächlich für die schonende Rotweingärung gefertigt und sind mit umfangreicher Edelstahlausführung ausgestattet. Dazu kommen pro Jahr mehr als 400 Barriques und Tonneaux. Das Toasting wird individuell den Wünschen der Kunden angepasst. Das Fass mit dem geschützten Namen „Pyramitt“ fasst 450 Liter und wird hauptsächlich von biologischen, biologisch-dynamischen oder besonders anspruchsvollen konventionellen Weinproduzenten bei der Weinbereitung verwendet.

Eine jahrzehntelange Tradition, und trotzdem bleibt es spannend. „Wir lernen selbst immer dazu,“ betont Peter und man glaubt ihm aufs Wort, strahlt sein Blick doch ungefilterte Begeisterung aus. Mit den Fässern sei es genauso wie mit dem Wein: „Kein Fass ist wie das andere.“ Fass und Wein aneinander anzupassen ist ein komplexer Prozess. In Abstimmung mit dem Kunden wird mit Hölzern experimentiert, das Toasting variiert und in unzähligen weiteren Arbeitsschritten versucht, dem Wein für Gärung und/oder Lagerung das bestmögliche Zuhause zu schenken. Mit der Übergabe eines Fasses an den Kunden intensiviert sich die Zusammenarbeit. „Der Kontakt mit dem Kunden bereichert uns, wir begleiten und unterstützen ihn.“

Ein Holzfass aus dem Hause Mittelberger bleibt dem Kunden lange erhalten und wird nicht, wie jene aus industrieller Produktion, nach wenigen Jahren unbrauchbar. Anstatt auf neue Fässer setzen die Mittelbergers auf Pflege und Restaurierung. Ein Mittelberger-Fass hat so eine Lebensdauer von mindestens 10 bis 15, oftmals bis zu 20 Jahren. Hat das Fass eines Tages dann wirklich ausgedient, wird recycelt. Man sei stolz darauf, ein kleiner Betrieb zu sein, denn das stehe für Exklusivität und höchste Ansprüche. „Wir mögen nicht der Ferrari der Fasswelt sein, aber für einen Bugatti reicht es schon,“ schmunzelt Peter Mittelberger. Seine Kunden geben ihm Recht. Sieben bis zehn Monate müssen bestehende Kunden auf ihr neues Fass warten, bei Neukunden sind es dann schon 17 bis 18 Monate.

Peter ist der Reiselustigste der drei Brüder, reist um die Welt, besucht Lieferanten und Kunden. Mittelberger Fässer stehen in Australien, Argentinien, Südafrika, Chile und Kalifornien, wo man Südtiroler Handarbeit und den unbedingten Willen zu höchster Qualität gerade im Spitzenweinsegment schätzt. Die drei Brüder verbindet die Leidenschaft fürs ihr Handwerk und für ihre Werte. Sie betrachten ihre Arbeit als Bindeglied zwischen Natur und Mensch. Das Gemeinwohl ist ihnen wichtig. Die Betriebsphilosophie orientiert sich an einem gemeinwohlorientierten Wirtschaftssystem, zu dessen wesentlichen Elementen Menschenwürde, globale Fairness und Solidarität, ökologische Nachhaltigkeit, soziale Gerechtigkeit und demokratische Mitbestimmung gehören. „Du bist erst reich, wenn du etwas hast, das man mit Geld nicht kaufen kann“, weiß Konrad und Peter ergänzt: „Wenn Arbeit ein Vergnügen ist, wird das Leben zur Freude.“

Dass Leidenschaft ein Leitmotiv im Handeln der Mittelbergers ist, liegt auf der Hand. Ihr Streben nach Perfektion verbindet sich mit der Freude am Genuss, wenn sie selbst Trauben einkeltern und mit den eigenen Fässern experimentieren. Wir probieren Mittelbergers schalenvergorenen Chardonnay sowie einen Pinot Noir und sehen selbst, wieviel Eleganz die Eiche in den Wein zaubert und gleichzeitig seine Fruchtaromen aufs Schönste hervorhebt. Eine Passion zum AnFASSen eben!

NEWSLETTER: Bleiben Sie auf dem Laufenden!

    Mit Nutzung unserer Dienste bzw. Anmeldung stimmen Sie den Bestimmungen der Datenschutzerklärung zu.